Ein kleiner sehr persönlicher Beitrag zum Verhalten Marcel Reich-Ranickis bei der Verleihung des „Deutschen Fernsehpreises“
Für alle, die es geschafft haben sollten sich dem Rummel, um Marcel Reich-Ranickis Rede beim „Deutschen Fernsehpreis“ zu entziehen, hier noch mal eine kurze Zusammenfassung:
Herr Ranicki sollte für sein Lebenswerk ausgezeichnet werden. Der Laudator war Thomas Gottschalk, der es in gewohnter Manier nicht lassen konnte zumindest Zeitweise, die Sprechart des Preisträgers zu imitieren, nachdem er durch eine meiner Meinung nach ehr mäßige Sendung geleitet hat. Es wurden erst kurz zuvor Formate wie: “Ausreißer- Der Weg zurück” und “DSDS” ausgezeichnet.
Kein Wunder, dass sich der 88-jährige Publizist zumindest Teilweise von stupidem Blödsinn unterhalten fühlen musste.
Nachdem ihm dann von Herrn Gottschalk auf die Bühne geholfen wurde, wurde er zunächst missverstanden. Er sagte sinngemäß, dass es ihm sonst immer leicht gefallen sei, sich für Preise zu bedanken. Dies wurde vom Publikum sicher als kleine Kauzigkeit bewertet, da dieses begann zu lächeln, doch Herr Ranicki klärte dieses Missverständnis schnell auf.
Er wurde nach eigenen Aussagen darauf hingewiesen nicht zu “hart” sein zu sollen, und er beteuerte niemanden verletzten oder kränken zu wollen, jedoch nehme er diesen Preis nicht an.
Er machte auch darauf Aufmerksam, dass er durchaus weiß, dass er dies früher hätte bekannt geben sollen, aber er hätte nicht gewusst wo er sich drauf einlasse.
Er wolle diesen Preis von sich werfen, verkündete er, und er war schockiert, was er beim “Deutschen Fernsehpreis” alles erleben musste.
Er bezeichnete das meiste was dort ausgezeichnet würde als “Blödsinn” und machte Werbung für Arte, wo es zwar Unterhaltung gebe, aber kulturelle.´
Um die Situation zu entschärfen kam Thomas Gottschalk später hinzu, und verhandelte mit ZDF; ARD und sogar RTL um einen Sendeplatz für einen literarischen Gedankenaustausch zwischen ihm und Herrn Ranicki, was auch durch nicken, gebilligt wurde. Letztlich bot Herr Ranicki nach einer äußerst schönen Erzählung Herrn Gottschalk sogar das “Du” an., und verließ die Bühne, ohne sich des Fernsehpreises anzunehmen.
Als er die Bühne verließ bekam er “Standig ovations-” was den interessierten Zuschauer sicher zum Lachen animiert haben muss. Meiner Meinung nach war dass eine wunderbare Szene, erst ließen sie sich, zumindest die meisten, als Macher eines dummen Fernsehens beschimpfen, meist wohl leider auch zu recht, um diesem herrlich unterhaltsamen und gebildeten Mann dann applaudierend zu verabschieden. Für mich persönlich ein herrlicher Moment, aber zugleich war es auch äußerst traurig, wie sehr sich die anwesende Gesellschaft selbst karikiert hat.
Aus dem von mir ersehnten literarischen “Talk” wurde dann ehr ein Frontalgespräch zwischen Gottschalk und Herrn Ranicki, über das Thema: “Lieber Herr Ranicki, das Publikum ist dumm, es versteht keine Literatur, die kulturelle Avantgarde grenzt sich ab, das Programm bleibtwie es ist, ätsch”. Wobei Thomas Gottschalk stark betonte, dass die Zielgruppe, zu der ich mit meinen 19 Jahren auch zu zählen scheine, größten Teils schlich und einfach zu “dumm” für literarisches Fernsehen sei. Verzeihen sie mir, dass ich dass so deutlich sagen muss, aber ich fühlte mich schlicht und einfach vollkommen verarscht. Ich als junger Mensch, der durchaus gerne das Arte-Programm schaut, wie andere auch, und sowohl Schiller, Brecht; Goethe als auch Shakespeare lese, scheine Zielgruppenspezifisch definitiv für zu dumm gehalten zu werden, um einer Oper von Verdi zu folgen? Oder meine Freunde, die in der Schule “Romeo and Juliet” in der Originalsprache lesen, verstehen und analysieren sind zu dumm dafür? Ich glaube ehr, dass deutsche Fernsehmacher nicht mehr in der Lage sind literarische Texte gut zu inszenieren. Und im weiteren sind Mittagstalkshows einfach leichter zu machen, also warum Literatur verfilmen, wenn es auch anders geht?
Ich denke immer gerne an die “Kabale und Liebe” Inszenierung unter der Regie von Leander Haußmann zurück. Selten habe ich eine deutsche Produktion mit so vielen brillanten Schauspielern gesehen, die trotz eines klassischen Stoffs doch so spannend und aufregend ist. Oder auch die Luhman-Version von „Romeo und Julia“ zwar eine amerikanische Inszenierung, aber sie bringt jungen Menschen den Stoff näher und ist doch äußerst unterhaltsam.
Also, ich finde solche Äußerungen haltlos und beleidigend.
Und sowohl Herrn Ranicki als auch mir, ist klar, dass pure Unterhaltungsshows nicht vollkommen aus dem Fernsehen verschwinden werden, aber das Verhältnis zwischen kultureller und unkultureller Unterhaltung sollte geändert werden.
Am lustigsten finde ich, dass die Presse sich darauf zu einigen scheint, dass dieser kulturell gebildete Mann nicht die Zielgruppe sei, aber er ist mit seiner Meinung wirklich nicht alleine. Ich kenne viele Menschen, die jünger sind als er, sogar viel jünger, und die ein wenig Kultur im Fernsehen doch sehr wünschenswert finden. Und diese Kultur sollte beispielsweise nicht zu unmöglichen Sendezeiten, an Freitagabenden um 0:30 laufen.
Und eine Wiederbelebung des literarischen Quartetts, vielleicht nicht unbedingt mehr mit Herrn Ranicki, fände ich äußerst wünschenswert. Aber genug von meiner eigenen Meinung, machen sie das Fernsehen an, schalten sie durch und suche sie nach Kultur, sie könnten Glück haben!
(ps.: Die Rede ist jederzeit bei YouTube abrufbar ^^)
Geschrieben von Anna am 22. Oktober 2008 | Veröffentlicht in Kultur
24. Oktober 2008 um 17:37
schöner artikel von dir anna, allein, dass du über dieses thema ein artikel geschrieben habe finde ich toll.
es ist leider durchaus so, dass die jüngeren leute einfach als mtv-generation abgestempelt werden und alle unter einem kamm geschert werden, dass habe ich auch schon öfters erlebt.
ich selbst finde das tv-porgramm auch niveaulos, natürlich findet man immer mal ausnahmen, aber die sind leider zu spärlich. Aber ich versteh nun das ganze lästern über das niveaulose fernsehen überhaupt nicht. denn der zuschauer hat es ja selbst in der hand: wenn er eine sendung nicht gut findet, dann schaltete er einfach ab. und wenn sendungen wie DSDS so hohe einschatlqutoten haben, dann gibt es bei den zuschauern einen wusch sich verblödeln zu lassen. ich persöhnlich habe mir es abgewohnt fernsehen zu gucken, ich erlebe viel unterhaltsameres, wenn ich lese. aber das ist nur eine rein persöhnliche entscheidung…
24. Oktober 2008 um 20:39
Liebe Anna,
der Artikel ist gut gelungen, ich finde es schön dass du über diese Thematik geschrieben hast, auch ich habe über häufig über die Szenerie die du beschrieben hast nachgedacht, und sehe dass Fernsehn nun mehr eine andere Bevölkerungsschicht anspricht als Menschen, die etwas sinnvolles sehen möchten, vielleicht auch solche Menschen die etwas lernen wollen. Viele interessante kultivierte Sendungen sind in den besten Sendezeiten (20.15h – 22.30h) kaum antreffbar. Die Fernsehwelt wird heutzutage mit dem ganzen Unsinn der Unterhaltung vollgestopft, und somit verblödet die „moderne“ Gesellschaft leider an dem heutigen Programm. Kaum werden Filme gezeigt, die vom Niveau her beispielsweise literarisch anspruchsvoller sind, die die Zuschauer geistig förmilich mitziehen. Ich habe leider bisher nur wenig gute Filme gesehen, noch seltener wirklich gute Dokumentarfilme. Denn auch aus ihr haben die Verantwortlichen Mist gemacht, wie häufig wird die reine Naturwissenschaft in den Dreck und Strudel der Verblödung gezogen, siehe am Beispiel „Die Große Show der Naturwissenschaften“ auch mit relativ hohen Zuschauerquoten und somit geht es weniger den Menschen etwas Neues aus der Wissenschaft zu zeigen, viel mehr sie zu unterhalten und sie nach „kurzen“ Werbeunterbrechungen auf Trap zu halten. Die künstliche Spannung von scheinbarer Wissenschaft wird mit Hilfe der Unterbrechung relativ hochgehalten. Doch wie häufig kommt der Spruch: „Boah ey, schon wieder Werbung!“ Die Statistik zeigt, dass die Werbeanteile immer größer werden und heute beträgt die Werbeanteil etwa 30% der Gesamtsendezeit. Ist es da nicht sinnvoller, die Werbesendezeit zu rationalisieren und neben einem Film noch einen literarischen und vertiefenen Einblick bzw. Nachtrag dem wissengierigen Menschen zu presentieren. Die Dokumentarfilme könnten nicht so sehr auf dem Meer der Allgemeinwissenden schwimmen, sondern sollten mehr die Tiefsee erkunden, was durch eine längere Sendezeit möglich wäre. Denn dann könnte Fernsehen die Menschen verändern und der Totalverblödung entgegen wirken. Das Interesse ist da, nur es muss gekitzelt werden und der alltägliche Konsum würde eventuell qualitativer werden.
24. Oktober 2008 um 20:53
Ich habe mich dem Internet gewidmet, da kann ich mir aussuchen was ich wann schaue, was ich lese und auf welchem Niveau. 😀
16. November 2008 um 04:10
Fernsehen ist nunmal ein Medium der Unterforderung, daran wird sich nichts ändern.
Was mich an der ganzen Diskussion aufregt, sind die ganzen Leute, die auf einmal unter ihren Steinen hervorkriechen(Elke Heidenreich) und Reich- Ranicki zur Seite springen, damit sie auch zur „Elite“ gehören.
Das Fernsehen ist mit Sicherheit schlecht, aber wir sollten diese Diskussion nicht in die Hände von jemandem legen, der wahrscheinlich 5 Stunden im Jahr Fernsehen schaut und einem Mann, der in Amerika lebt.