Filmkritik: Das erstaunliche Leben des Walter Mitty (The Secret Life of Walter Mitty)

Die Unfähigkeit von Hollywood den Menschen als solchen zu lieben – Individualität und Charakter unerwünscht!

Inhalt: Walter Mitty ist ein Angestellter mittleren Alters mit einem vermeintlich langweiligen Job im Archiv des LIFE Magazins. Er ist ein ängstlicher, schüchterner Mensch, welcher nicht sehr geschätzt wird im Unternehmen. Aus der Ängstlichkeit kann sich Walter durch Tagträume befreien. Wenn ihm eine Situation zu heikel wird oder er einen Wunsch hat, verliert er sich in Träumereien, in denen er angstfrei nach Wunsch handeln kann. Er verwandelt sich in einen Helden, der seinen Schwarm beeindruckt und umwirbt oder seinem neuen fiesen Vorgesetzten zeigt, wo es langgeht.

Als ich Ben Stillers Interview hörte, hatte ich eine kleine Hoffnung, dass dieser Film ein untypischer Hollywood Film sein könnte. Die Hoffnung erweckte sich in mir, da er mit einer gewissen Leidenschaft sprach. Dieser Film sei sein erster großer Wurf. Die Geschichte gab mir den Anschein, es könnte ein Film voller Fantasie sein, die den Zuschauer in die Welt des Tagträumers Walter entführen würde. Ich erhoffte etwas Feingefühl, etwas Wertschätzung für die Persönlichkeit, den Charakter in der Hauptrolle, für seine Fähigkeit und die menschliche Gabe, die Augen schließen zu können und sich auf einen anderen „Stern“ zu verpflanzen.

Leider kam es anders. Die Story ist meiner Ansicht nach, ganz in der Tradition von Hollywood, die Abwertung des individuellen Charakters. Es wird im Laufe des Films deutlich, dass die Fähigkeit von Walter Mitty sich mit Tagträumen aus dem Alltag befreien zu können, als eine Art Krankheit gesehen wird, welche sich im Laufe des Films in den Griff bekommen lässt. Einhergehend mit der Heilung, trägt er zum Schluss keine Brille mehr, er ist etwas braungebrannter, hat einen coolen drei Tage Bart und ist schlagfertig. Um diese Aufwertung seines menschlichen Daseins für den Zuschauer zu unterstreichen – damit der (dämliche) Zuschauer das auch wirklich schnallt, führt Walter für den Inhalt des Films absolut sinnfreie und für den Fluss des Films absolut störende Telefonate mit seinem Handy – z.B. auf dem  Himalaja – mit einem Servicemitarbeiter einer Onlinedating Plattform. Bei diesen Gesprächen soll dem Zuschauer vorgeführt werden, wie sich der Singlebörsenmarktwert von Walter Mitty im Laufe des Films steigert, während sich sein Online Profil mit immer mehr interessanten Ereignissen füllt.

Allmählich erfährt der Zuschauer, dass hinter diesem unwürdigen Versager eine tragische Geschichte steckt, welche erklärt, warum er denn solch ein jämmerlicher, langweiliger Versager geworden ist und warum er würdig ist, zumindest nochmal eine Chance zu bekommen. Nach dem plötzlichen Tod seines Vaters musste er für die Familie jobben und hatte keine Möglichkeit mehr seine abenteuerlustigen Träume auszuleben. Er musste sein cooles Hobby aufgeben, das Skaten. Aber wenigstens verfügt er noch aus früherer Zeit über einige Skills, mit dem er den Sohn seines Angebeteten beeindruckt und sich etwas Würde im Auge des Zuschauers erarbeiten kann.

Wie so oft, haben wir am Anfang des Films eine interessante Idee, beruhend auf etwas bereits Dagewesenes. Am Ende des Films haben wir wie so oft, ein absolut kitschiges, selbstverherrlichendes Happy Ending fern ab von tatsächlicher Wertschätzung der Persönlichkeit, die Walter Mitty tatsächlich war zu Anfang des Films. Der Wertschätzung würdig ist er erst, wenn er sich in einem erfolgreichen Prototyp des Amerikaners verwandelt – gutes Aussehen, Erfolg, Abenteuer, hübsche Frau an der Seite. Dabei stört den Filmemachern nicht mal der Widerspruch, dass er nicht nur äußerlich dem Antagonisten des Films immer ähnlicher wird (Bräunung, Bart, Coolness, Sprüche).

Es wird außer Acht gelassen, dass Walter Mitty, so wie er war, ein interessanter Mensch ist, den man in seine pedante, seltsame Art bewundern kann. Walter Mitty war ein Charakter, der sich von der Menge abheben konnte, der seine Arbeit bestens  verrichtete, weil er war, wie er war, dessen Schüchternheit einen gewissen Charme hatte, dessen Leben Abwechslung brachte in das langweilige, standardisierte Gefüge der Menschen in diesem Unternehmen.

 

Geschrieben von Mikheil am 08. Februar 2014 | Veröffentlicht in Kultur

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