Filmanalyse – Ziemlich beste Freunde

überarbeitet am 25.09.2012

Philipp ist ein sehr reicher Mann, welcher querschnittsgelähmt ist, weil er sich beim Paragliding eine schwere Verletzung zugezogen hat. Er ist auf die Hilfe von Dritten angewiesen, denn er kann nur noch die Muskulatur Hals aufwärts bewegen.

Er trifft auf Driss, der zu seinem Pfleger wird, obwohl dieser keine Ausbildung als Pfleger abgeschlossen hat. Aber genau das reizt Philipp an Driss. Driss ist gerissen und humorvoll. Er wird nicht nur zu seinem Pfleger, der trocken seinem Job nachgeht und versucht nur mechanische Abläufe zu übernehmen, zu denen Philipp nicht mehr in der Lage ist, sondern wird zu seinem Freund.

Der Film dreht sich um die Freundschaft dieser zwei Protagonisten. Die Spannung wird hauptsächlich nicht über die Erzählung vermittelt, da diese zu Anfang zum größten Teil Preis gegeben wird sondern indem der Film versucht die Annäherung der zwei Ungleichen Menschen abzubilden.

Daher steht die Ungleichheit dieser zwei Personen im Mittelpunkt. Dazu werden beide  für den Zuschauer in erster Linie als Fremde dargestellt, um sie dann im Verlauf des Filmes wieder sympathisch zu machen. (Di Pozzo Borgo und Bach 2012)

Der Rassismus des Films wird deutlich, wenn Stereotype und Klischees gezielt verwendet werden um Differenzen zu schaffen und um die soziale Stellung der Charaktere zu unterstreichen, z.B. der kriminelle Hintergrund von Driss oder die Abgehobenheit von Philipps Welt.  (Karpf et al. 1995, S. 24) Das Fremde weckt Spannung beim Zuschauer im Gegensatz zum Harmonischen. (Karpf et al. 1995, S. 22) Im Film geschieht eine Annäherung des Zuschauer an das Fremde, sowohl an den Schwarzen als auch an den behinderten Snob, die der Zuschauer im realen Leben nicht wagt. (Karpf et al. 1995, S. 1)

Spannend wird es, wenn der Film besondere Realitätsnähe vermitteln möchte. Diese wird im Film über die Stereotype kommuniziert.  (Karpf et al. 1995, S. 22) Die Konfrontation von unterschiedlicher sozialer Herkunft soll Spannung erzeugen. (Karpf et al. 1995, S. 22)

Beide Protagonisten werden als sehr unterschiedlich gezeigt, Driss als der „Straßenjunge“ und Philipp als „reicher Snob“. Dies geschieht zum Teil über die Verhaltensweisen des Charaktere, z.B. ist Driss dreist, laut und aufdringlich aber auch witzig und tanzbegeistert; Philipp ist hingegen ein ausgezeichneter Redner und sehr gebildet, zeigt Driss später sogar die Oper.  (Karpf et al. 1995, S. 25)

Es geschieht zunächst ein Debasing von Driss‘ Kultur. Es wird deutlich, dass die Kultur von Driss nicht so hoch angesehen wird wie die von Philipp. (Lüsebrink 2008)

Es stellt dich die Frage, ob der Darsteller Omar Sy (Driss) schwarz ist, weil seine Hautfarbe als ein besonderes Verfremdungsmittel eingesetzt wird. An dieser Stelle könnte dies überinterpretiert sein, andererseits wieso hat man nicht einen lateinamerikanischen Darsteller gesucht um der realen Erzählung noch mehr auf der Spur zu sein?  (Karpf et al. 1995, S. 25)

Driss ist der Vorstadtjunge „ohne Mitleid“. Ein Überbleibsel eines Patriarchats, „kräftig“ und „stark“, „jung“ und gesund“. Wenn Jemand nicht hört, dann bekommt er Driss‘ Gewalt zu spüren, wie z.B. der Nachbar, der immer vor Phillips Haus parkt.  (Karpf et al. 1995, S. 35) Das Fremde wird im Form von Driss mit viel Humor dem Zuschauer vertraut gemacht. Der „unbekannte Schwarze“ ist gerissen und witzig, auch wenn er wild ist.  (Karpf et al. 1995, S. 25) Driss wird mit einer besonderes Ästhetik angesprochen, als der kräftige, starke, junge Mann, der eine gewisse Erotik ausstrahlt.  (Karpf et al. 1995, S. 29)

Das Fremde als sich zu Unterordnete in der Rolle von Driss wird im Film besonders über die Tochter von Philipp vermittelt aber auch durch andere anwesende im der Ingroup von Philipp. Auch, dass Driss für Philipp arbeitet zeigt ihn als den treuen Diener.  (Karpf et al. 1995, S. 23) Er ist auch eine Fläche der Projektion unserer wilder Fantasie. Wir wären evtl. gerne der wilde Autofahrer, der durch die Stadt rast.  (Karpf et al. 1995)

Philipp wird besonders als das Fremde konstruiert durch seine Behinderung und uns sympathisch gemacht über sein Reichtum und Intellekt bzw. dem damit verbundenen sozialen Status. Aber auch in der Rolle des Schutzbedürftigen, ist er dem Zuschauer sympathisch. (Karpf et al. 1995, S. 24) Durch beide Charaktere wird im Film eine Faszination ausgelöst. Bei Driss wird das erreicht, indem man den Boden der Gesellschaft zeigt, wie es sich lebt, wenn man als „Migrant“, arbeitslos und obdachlos über die Runden kommen muss. Bei Philipp wird die Faszination durch sein Reichtum und Intellekt ausgelöst. (Lüsebrink 2008, S. 85)

Im Film kann man Frankreichs koloniale Denken vermuten: Der Schwarze, der zivilisiert werden muss und zu den westlichen Standards geführt wird mit Hilfe des edlen Weissen.  (Lüsebrink 2008, S. 98) Die Dichotomie zwischen dem Wilden und dem Zivilisierten kommt sehr stark zum Tragen.  Das sieht man unter anderem stark an der Szene mit der Badewanne. Der Wilde kommt in ein luxuriöses Haus und hat seine eigene Badewanne, wo er ungestört seiner Hygiene nachgehen kann. (Lüsebrink 2008, S. 97)

Driss wird sein Fremdsein unter anderem verziehen weil er im Verlauf des Filmes sich veredelt. Er macht auch seine falschen Handlungen wieder gut. Er gibt das gestohlene Ei im Verlauf des Films zurück. Nach der Zeit bei Phillipp ist er gebildeter, bekommt deshalb eine Arbeitsstelle als Fahrer.  (Karpf et al. 1995, S. 31)

Das Bild des schwarzen bösen Mannes wird grundsätzlich bestätigt. Sowohl Driss als auch Philipp sind Ausnahmen ihres sozialen Kreises und nicht die Regel. Driss war immerhin kriminell und arbeitslos, sein Bruder ist kriminell, die Familienverhältnisse sind chaotisch.  (Karpf et al. 1995, S. 27) In wieweit Vorurteile und Stereotypen verwischen, kann man nicht genau sagen. Diese Schwierigkeit ergibt sich auch, weil der Film im Ausland entstand und von uns aus nicht voll beurteilbar ist.  (Lüsebrink 2008)

Stereotype werden im Film nicht abgebaut, da die „Guten“, die zur Gruppe der Außenseiter gehören, Ausnahme bleiben. Der Behinderte ist unglaublich reich und gar nicht so ein Snob wie wir gedacht haben und der Schwarze ist ausnahmsweise ganz anders als erwartet. Die Protagonisten sind anders  im Vergleich zu den Gruppen,denen sie angehören und die aber unsere Erwartungen auch zum Ende des Films bestätigen. Dies bestätigt sich besonders im Bruder des Schwarzen und in den chaotischen Familienverhältnissen. Letzteres möchte Mitleid und Verständnis für die kriminellen Handlungen bieten. Der kleine Bruder des Protagonisten bessert sich erst zum Ende, als er Hilfe braucht von seinem nun „veredelten“ großen Bruder. Hier wurde aber zunächst dennoch das Bild des Gauners voll bestätigt.

Der Film entfaltet seine Wirkung in dem er die bösen bzw. abgehobenen Fremden zeigt und uns aber einzelene Charaktere dieser unsympathischen Gruppen vertraut macht. (Karpf et al. 1995, S. 29) Er ist ein Märchen, bei dem es um Freundschaft geht. Driss ist der edele Ritter, der Philipp hilft und Philipp ist der edle Mann, der Driss bildet. (Karpf et al. 1995, S. 32) Das Fremde wird überspielt durch Witz, rasante Handlungen, Action, so dass der Zuschauer sich gar nicht mit dem Fremdsein tatsächlich befassen kann. (Karpf et al. 1995, S. 29)

Die Harmonie im Film ist eine Hinwegtäuschung über tatsächliche Probleme. Der Zuschauer soll sich mit diesen nicht auseinandersetzen sondern vermuten, dass alles in bester Ordnung sei. Dadurch wird natürlich eine Ruflektion verhindert. (Karpf et al. 1995, S. 38)

Literaturverzeichnis

Di Pozzo Borgo, Philippe; Bach, Bettina (2012): Ziemlich beste Freunde. Ein zweites Leben. Berlin: Hanser.

Karpf, Ernst; Kiesel, Doron; Visarius, Karsten (1995): „Getürkte Bilder“. Zur Inszenierung von Fremden im Film. Marburg: Schüren.

Lüsebrink, Hans-Jürgen (2008): Interkulturelle Kommunikation. Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer. 2. Aufl. Stuttgart: J.B. Metzler.

Geschrieben von Mikheil am 11. Mai 2012 | Veröffentlicht in Kultur

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