Was soll ich werden?
(kostenlose) Berufseignungstests zur Berurteilung bedingt geeignet
Dieser Artikel bezieht sich auf den von mir zuvor verfassten Artikel „Was soll ich werden?„.
Perspektiven-Test von Allianz.de
Ich habe mich zuerst an den kostenlosen Berufseignungstest von Allianz gewagt. Ich finde ihn nicht schlecht, aber auch nicht überzeugend. Wenn man ganz ahnungslos ist, was die Berufswahl betrifft, lohnt er sich; in anderen Fällen, sollte man nur spaßeshalber an dem Perspektiven-Test teilnehmen.
Was mich gewundert hat ist folgender Satz von der Allianz Seite:
„Nach wenigen Tagen erhalten Sie eine auf Sie persönlich zugeschnittene professionelle Auswertung durch die Akademie der Ruhr-Universität Bochum als PDF-Datei.“
Tatsächlich steht die Auswertung in weniger als einer Stunde zur Verfügung und wird wohl maschinell ausgewertet. Aufgrund dessen weiß ich die Aussage der Seite nicht einzuordnen; wollten man den Test mehr als nur verschönern oder gibt es andere unerklärliche Antworten?
Der sogenannte Perspektiven-Test kann bei der Orientierung zu eigenen Stärken und Schwächen tatsächlich behilflich sein. Besonders schön finde ich, dass man in der Auswertung einige konkrete Berufsvorschläge vorgelegt bekommt. Am Ende der Auswertung werden dem Teilnehmer vier fiktive Interviews von Berufstätigen aus den Berufsgruppen, die für diesen geeignet zu sein scheinen, vorgelegt. Diese können einen minimalen Einblick in das Berufsleben ermöglichen.
Positiv zu beurteilen ist außerdem, dass Rücksicht genommen wird, ob man studieren möchte oder nicht. Der Berufseignungstest scheint auf Schüler ausgelegt zu sein; das äußert sich z.B. durch die Abfrage der Schulnoten, was man negativ oder positiv betrachten kann. Zudem gefällt mir, dass die Auswertung zu genügend relativiert wird. Die den Test vorstellende Seite vermittelt aber keinen objektiven Eindruck. Die Bedeutung der Auswertung wird stark übertrieben und unsachgemäß dargestellt (z.B. die Überschrift: „Überlass die Zukunft nicht dem Zufall“), auch die Behauptung, die ich oben festgestellt habe, man würde eine „persönlich zugeschnittene professionelle Auswertung“ bekommen, wirkt stark überzogen.
Alles in allem, bekommt man eine maschinelle Auswertung eines Tests über wenige Minuten, der versucht, ein so unglaublich komplexes Gebilde wie den Menschen zu erfassen. Nicht mal die besten Psychoanalytiker sind meiner Ansicht nach in der Lage den Menschen tatsächlich durchzuschauen; da kann eine einfache Computerrechnung wirklich nur eine lächerliche Arbeit leisten (lächerlich, weil der Mensch so großartig ist und nicht umgekehrt). Man bedenke unter anderem, dass für den Testteilnehmer jede gestellte Frage sehr leicht durchschaubar ist und er ziemlich genau einschätzen kann, welche Antwort zum welchen Ergebnis führt. Man bedenke auch wie unterschiedlich hier der Teilnehmer reagieren kann… Eventuell hat der Ehrlichste, im Vergleich zu den andern, „schlechte Ergebnisse“ erzielt, weil er „Ehrlichkeit sich gegenüber“ anders einschätzt als die übrigen Teilnehmer. Ich denke, man merkt hier, wie komplex das Ganze wirklich ist, so dass eine kleine Frage zu einem philosophischen Essay ausarten kann.
Dennoch kann man das Ergebnis als etwas betrachten, was dem Teilnehmer des Berufseignungstests unter Umständen helfen könnte, seine Wahl mit ganz viel Bedacht und Vorsicht um einen Bruchteil in die richtige Richtung zu rücken.
Job-Test von Unicum.de
Als erstes sei gesagt, dass der Berufseignungstest (der eher wie ein Persönlichkeitstest wirkt) doch wohl maschinell ausgewertet wird, obwohl auch bei diesem Test wie beim Berufseignungstest von Allianz um wenige Tage Geduld gebeten wird, was den Anschein erweckt, der Test würde manuell ausgewertet werden, wobei die Wortwahl von UNICUM auf der den Test vorstellenden Seite größere Interpretationsfreiheit gibt als Allianz und mir deswegen „korrekter“ erscheint.
„Auf UNICUM.de können Sie kostenlos am Test teilnehmen und erhalten Ihr persönliches Gutachten kostenlos innerhalb weniger Werktage.“
Wie auch immer; das was bei der Auswertung heraus kam, war in Ansätzen teilweise richtig. Der Perspektiven-Test von Allianz war aber weitaus genauer und zutreffender, was mich erstaunt in Hinblick auf die Intensität und Dauer der beiden Tests.
Das Problem liegt wohl dennoch größtenteils auch hier im Ansatz. Ein kleiner Persönlichkeitstest von einigen Minuten versucht mithilfe von (einfachen) Computerberechnungen einen geistig komplexen Menschen zu erfassen. (Wobei bei dem UNICUM Test wohl umso mehr verrechnet wird, desto mehr gerechnet wird.) Wenn wir unsere Umgebung betrachten finden wir viele Menschen, die so simpel in Stereotypen verpackt sind, dass Ihnen solch ein Persönlichkeitstest weiterhelfen könnte. Dann gibt es andere Menschen, die durchaus komplexer gestrickt sind und eventuell sogar aus einem anderen Kultur bzw. Gesellschaftskreis stammen, bei denen die maschinelle Berechnung dann besonders versagt (da sie falsche oder nicht vorhandene Voraussetzungen mit einbezieht), mal ganz abgesehen davon dass versucht wird eine menschliche Persönlichkeit mit ca. 15 logischen Aufgaben, vielen sich verschieden formulierten wiederholenden Fragen und einem maschinell ausgewerteten Kreativtest zu erfassen, wobei das letztere besonders paradox klingt. Sprachliche Fähigkeiten, wenigstens eine Abfrage der schulischen Leistungen wie beim Berufseignungstest von Allianz (die eine Hilfestellung bei der Beurteilung der sprachlichen Fähigkeiten sein kann) werden hier nicht berücksichtigt. Allgemein scheint mir, dass die Job-Test Berechnung von UNICUM zur Auswertung der Testergebnisse sich stärker an absolute Zahlen orientiert, was mich überrascht, weil ich das Gegenteil erwartete, was meinen Urteil letztlich negativ beeinflussen wird.
Zuletzt sei noch gesagt, dass der Test nicht auf Schüler ausgerichtet zu sein scheint sondern auf Arbeiter oder Auszubildende, was auf der von mir verlinkten Seite angedeutet wird. Das verfälscht wohl die Ergebnisse nochmal stark. Konkrete Vorschläge zum Beruf fehlen.
Dieser Test kann einen jungen Menschen ruinieren, wenn er ihn ernst nimmt. Umso stärker wundert es mich, mit wie viel Zuversicht und Selbstbewusstsein dieser präsentiert und (durch die Wissenschaft ~ Prof. Dr. H. Wottawa) akkreditiert und zugleich wie wenig er relativiert wird. Ich gebe zu, dieser Eindruck kann als stark subjektiv bewertet werden, aber er verstärkt sich, wenn ich mir die Wortwahl ([…] der beste Onlinetest zur Selbsteinschätzung […]) der vorstellenden Seite und das beigefügte Fotos anschaue. Hier wird meiner Meinung nach, die nicht ins Schwanken zu bringende Bild der modernen Wissenschaft gezeichnet, welches die Wahrheit ans Licht befördert und den Menschen in die eine oder andere Richtung schickt.
Es sei angemerkt, dass meine Beurteilung für UNICUM „härter“ ausfällt, weil meiner Ansicht nach, dieser Test sich zu stark verrechnet. Außerdem wirkt die Seite, rein subjektiv gesehen, provokanter.
Man muss aber auch sehen, dass der Test eine Hilfestellung für das gewöhnliche Glied der Masse, in diesem Fall der Gesellschaft sein kann, aber ein Untergang für das Individuum.
Fazit:
Ein Indiz, welcher mich zu meinem Urteil ermutigt, ist ein Freund, der mit Erfolg in wenigen Monaten sein Studium in Ingenieurwissenschaften abschließen wird. Er hatte mich vor solchen Tests gewarnt. Nach ähnlich simplen Beratungsgesprächen und Persönlichkeitstests, wurde ihm vor wenigen Jahren geraten in eine Ausbildung zu gehen da der von ihm angestrebte Beruf und gar das Studium „nichts für ihn seien“. Seine jüngste Vergangenheit beweist das Gegenteil; wäre er den Prognosen gefolgt, wäre es für ihn und seine zukünftige Branche, die heute an Fachpersonalmangel leidet, fatal gewesen.
Ich würde niemals Geld ausgeben um an einem solchen Test teilnehmen zu können. Als kostenlose Möglichkeit ist es jedoch ein nettes Gimmick. Die Ergebnisse sind mit Bedacht zu genießen. Man sollte auf jeden Fall die Besonderheiten des Tests berücksichtigen und diesen hinterher selbst analysieren, statt nur sich von einer einfachen Maschine analysieren zu lassen.
Ein positiver Aspekt, der leicht paradox klingt, ist, dass man mit solchen kostenlosen Berufseignungstests bzw. Persönlichkeitstests „üben“ kann. Es soll Unternehmen geben, die ähnliche Tests einsetzten um Bewerber auszusortieren. Sollte man in solch ein Verfahren geraten, hat man definitiv einen Vorteil gegenüber denjenigen, die keine Ahnung haben, wie die Eignungstests ausgewertet werden; welche Antwort zu welchem Ergebnis führt.
Es sei angemerkt: Dass ich unterschiedliche Begriffe benutzte wie Persönlichkeitstest, Perspektiven-Test, Job-Test, Berufseignungstest oder Eignungstest hat verschiedene Gründe. Die Begriffe können die Tendenzen der verschiedenen Tests andeuten (Persönlichkeitstest), wurden als Begriff von Anbieter übernommen um die Identifikation des jeweiligen Tests zu erleichtern (Perspektiven-Test, Job-Test) oder dienen der Vielfalt, besonders zu Zwecken der Suchmaschinenoptimierung.
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Screenshots (Ausschnitte) vom 10.12.08 von der UNICUM und der ALLIANZ Seite…
Geschrieben von Mikheil am 10. Dezember 2008 | Veröffentlicht in Sonstiges