Du musst nicht heiraten – du kannst!
Die Ehe spielte noch vor einigen Jahrzehnten eine bedeutende Rolle, sie spiegelte feste Normen der Paarbeziehung wieder und durch sie wurden die Normen und Sanktionen für alternative Paarbeziehung festgelegt. Das Wort „Ehe“ geht auf das althochdeutsche Wort „ewa“ (Gesetz) zurück. Damit wird bereits auf einen wichtigen Aspekt der Ehe hingewiesen: Es handelt sich um eine Art Vertrag oder Versprechen, das die Beziehung zwischen Menschen auf einer allgemein anerkannten Grundlage regelt (Vgl.: http://www2.hu-berlin.de, 11.1 Formen und Bedeutung der Ehe).
Ehe erfüllt die jeweilige Gesellschaftsordnung bedingte soziale, wirtschaftliche und politische Funktionen. Sie wird durch gesellschaftliche, religiöse und weltlich rechtliche […] Normen bestimmt. In unserer Kultur ist die Ehe notwendig monogam. Staatliche und kirchliche E.ordnung stehen in der Bundesrepublik unverbunden nebeneinander. (Fachlexikon der sozialen Arbeit, 2002, S.236)
Nach dieser kurzen Definition erkennt man die Leitmotive der Ehe. Sie setzt bestimmte Normen im Zusammenleben der Menschen. Die Normierung der Ehe kann man grob mit den Schlagworten: monogam, heterogen, Ort der geduldeten Sexualität, Fortpflanzung, kindzentriert, wirtschaftliche Gemeinschaft, Lebensgemeinschaft auf Lebenszeit, Schutz- und Versorgungsfunktionen, umreißen.
Die Ehe ist der Ort der Sexualität und somit der Fortpflanzung und Erziehung der Kinder. Hiermit verbunden sind die restlichen Vorgaben, die diese Art der Reproduktion, durch Schutz- und Versorgungsfunktionen, zu denen auch die Absicherung durch Monogamie und Heterogenität zählt, erhält.
Die Sexualität musste, um ein ausreichenden Schutz und eine ausreichende Versorgung der Familie zu gewährleisten, in einen bestimmten normierten Rahmen gezwängt werden. Dieser Rahmen ist die Ehe. Jedoch gibt es heute veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Diese können die früheren Schutz- und Versorgungsfunktionen der Ehe teilweise ersetzen.
Hierzu gehört die Emanzipation der Frau und das Abweichen von einer patriachalen Werteordnung. Durch die emanzipierten geschlechtlichen Rahmenbedingungen übernehmen Frauen wichtige gesellschaftliche Funktionen, welche zuvor den Männern vorbehalten wurden. Das Selbstbild der Frau hat sich in mehreren Punkten grundlegend geändert. Hierzu gehört die weitgehende rechtliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Lebensbiographie der Frau. Das rechliche Verhältnis, zwischen Mann und Frau, hat seit Ende der 60er Jahre einen Proßess hin zur Entrechtlichung gemacht. Anders gesagt wurden die starren Schranken der patriachalen Geschlechterverhältnisse zugunsten des partnerschaftlichen Zusammenlebens aufgebrochen (vgl. Barabas, 1994, S.194). Weitere hierausfolgende Punkte für die Individualisierung der weiblichen Lebenszusammenhänge sind: die Erwerbstätigkeit der Frau, die Planungsmöglichkeit der Schwangerschaft, die Reform des Ehe- und Familienrechts, die Neuordnung des Scheidungsrechtes, der interlektuell- moralischer Aufbruch durch die Studenten- und Frauenbewegung, sowie die Angleichung der Bildungs- und Berufschancen von Frauen (vgl. Peukert, 2005, 260ff.). Zu den Schutz- und Versorgungsfunktionen gehören die soziale Absicherung in Deutschland. Dies sind staatliche Institutionen welche sich um Gesundheit, Pflege, Lebensunterhalt und Erziehung kümmern. Die Reproduktion des Menschen ist somit nicht weiter an die Ehe gebunden, und es konnten sich weitere Beziehungsformen bilden. Ein weiterer Punkt ist die zunehmende Säkularisierung, welche die religiösen und staatlichen Normen trennt. Sie hat einen Raum für weitere Normenvorstellungen geschaffen und somit einen großen Graubereich für gelebte Beziehungen eingeräumt. Die Ehe müsste demnach als Schutz- und Versorgungsinstitution und als einzig gültige Norm des Zusammenlebens, durch den gesellschaftlichen Wandel, an Bedeutung verloren haben.
Tatsächlich ist die Ehe jedoch weiterhin die normale Beziehungsform für einen Großteil der Bevölkerung. Ein Umsturz der Ehenorm hat es nie gegeben. Selbst alternative Lebensformen orientieren sich stark nach den Normen der Ehe. Die gesellschaftlichen Wünsche nach herrschenden Normen für Paarbeziehungen sind weiterhin die Monogamie, die feste emotionale Paarbeziehung, sowie deren rechtliche Anerkennung, die lebenslange Dauer der Beziehung und die familienzentriertheit. Die alternativen Lebensformen sind Ausdruck eines Ausbruches aus den festen Normenkonstrukt der Ehe und richtet sich gegen bestimmte Normen. Normen die angegriffen werden sind die Heterozentriertheit der Ehe, die lebenslange Bindung der Partner unter allen Umständen, die feste Rollengebung und die Zentrierung auf die Familie. Im historischen Kontext hat die Ehe in Richtung Normalzustand einen Wandel erlebt, spiegelt sich hier die Verfestigung und bei ihrer Missachtung die Sanktionierung der Normen, für Ehe und Familie zunächst in traditionell kirchlichen Bereich wieder, wird sie später von der Kirche getrennt in das staatliche Recht eingebettet. Die Vorstellung und Normen über die Institution Ehe blieben, erst für eine Minderheit gedacht, später für eine breite Schicht zugänglich, lange Zeit konstant. Erst das Lebenspartnerschaftsgesetz scheint die festen Normen rechtlich zu lockern und einen Platz für weitere Diskussionen zu lassen. Die gesellschaftliche Billigung eheähnlicher Partnerschaften ist seit dem sozialen Wandel der 60er Jahre immer mehr gegeben, jedoch sind die Vorstellung, dass sich diese Lebensform der Ehe angleicht bzw. in eine Ehe übergeht, weiterhin konstant geblieben. Die eigentliche Ehenorm wird nicht angefochten. Sie geht weiter mit der Familie einher, da gesellschaftlich geglaubt wird, dass für die Festigkeit der Familie, hauptsächlich für die Absicherung der Kinder, die Ehe notwendig ist. In dem der Mann als Haupternährer einer Erwerbsarbeit nachgeht und der Frau neben der Kindererziehung höchstens ein Teilzeitarbeitsplatz zugestanden wird.
Die Heiratsneigung ist weiterhin ungebrochen hoch. Die Normen, die mit einer Ehe komform gehen, sind weiterhin gesellschaftlich hoch anerkannt. Sie werden in den Alternativen zur Ehe wiedergespiegelt. Die sexuelle Ausrichtung der Ehe ist durch eine bessere Planbarkeit von Schwangerschaften nicht mehr der zentrale Punkt. Die Sexualität kann auch außerhalb der Ehe, ohne Folgen, ausgelebt werden. Die Liebesehe wird jedoch weiterhin mit den Gedanken an zukünftige Kinder geschlossen. Die Ehe hat als alleiniger Ort der sexuellen Erfahrungen an Bedeutung verloren. Jedoch steigt ihre Bedeutung mit dem Faktor Kind an. Sie ist eine kindzentrierte Form des Zusammenlebens. Die vorehelichen Beziehungen sind Zeiten des sexuellen Findens und Auslebens. Erst wenn die Beziehungsqualität stimmt und die wirtschaftlichen Möglichkeiten es zulassen, kann der nächste Schritt zu einer Ehe und zur Familiengründung gegangen werden. Dies ist der Weg, der am häufigsten gegangen wird. Andere Menschen in eheähnliche Lebensformen haben meistens schon Vorerfahrungen mit der Institution Ehe gemacht und entschließen sich aus diesen Grund, sich nicht wieder darauf einzulassen.
Die Ehe hat demzufolge die Auswirkung auf heutige Beziehungsmuster, dass diese bewusst oder unbewusst die Beziehung durch ihre gesellschaftlich anerkannten Normen beeinflussen. Der Drang aus einer festen Partnerschaft eine verbindliche und anerkannte Form des Zusammenlebens zu machen, ist groß. Der Druck von außen auf die Partner verstärken diesen Effekt weiter. Selbst homosexuelle Lebensformen, den gesellschaftlich eine Familienbildung abgesprochen wird, fördern die eheliche Anerkennung.
Daraus lässt sich schließen, dass die Akzeptanz von nichtehelichen Beziehungsformen in der Gesellschaft davon abhängt, wie groß die normative Überschneidung mit denen der Ehe ist. Wenn ein heterosexuelles Paar, welches vor einer Ehe erst schaut, ob es zusammen passt bewertet werden soll, wird kaum etwas dagegen sprechen, da die beiden auf den Weg in eine Ehe sind. Ist das Paar hingegen schon lange zusammen, wird die Akzeptanz kleiner. „Es muss etwas in dieser Beziehung nicht stimmen, ansonsten wären sie verheiratet“. Wenn dann das Paar gleichgeschlechtlich ist und dem zufolge keine Familie gründen kann, ist die Akzeptanz noch geringer. „Verhindern sie doch gegenseitig, dass der andere ein erfülltes Eheleben führen könnte.“ Die Ehe ist somit die formale Norm unter der Beziehungen gesellschaftlich bewertet werden. Sie ist das Qualitätssiegel für eine gute Partnerschaft. Ob das im einzelnen wirklich der Fall ist, wird nicht begutachtet, hauptsache die Norm stimmt. Die Einhaltung der Ehenorm gibt auch heute das Gefühl der Sicherheit und der Zuordnung in die Gesellschaft. Der Staat fördert zudem die Normentreue seiner Bürger. Warum die Ehe auch heute noch als normal gilt und die Auffassung über Beziehungen prägt, ist weiterhin offen.
Fest steht jedoch, trotz des gesellschaftlichen Drucks und der Normierung des Instituts Ehe, hat jeder Einzelne die freie Entscheidung ob er oder sie eine Ehe eingehen möchte. Es muss nicht mehr geheiratet werden -und das ist auch gut so!
Geschrieben von Katrin Bremer am 25. August 2008 | Veröffentlicht in Gesellschaft
25. August 2008 um 17:15
Hey, schön, dass du auch mitschreibst^^
Sogar Quellen verwendet…. respekt!
Typisch Sozialwissenschaftler… das Bedürfnis des Menschen, egal ob homo- oder heterosexuell, unter gewissen Umständen einen lebenslange Gemeinschaft einzugehen geschickt rausgelassen^^
„-und das ist auch gut so“ *g*
Deine kleine Schwester^^
25. August 2008 um 17:23
Deinem Schlusswort stimme ich vollkommen zu 🙂
Du hast einen sehr anspruchsvollen Artikel verfasst, was mich sehr freut, denn das kann „unserem Ansehen“ nur gut tun 😉
Ich bin begeistert, aber noch mehr bin ich auf die nächsten Artikel von dir gespannt…
Stimmt es dass Frauen im weniger verdienen als Männer, wenn sie auch genau den gleichen Job haben (wenn ja, warum?) ? Evtl. könnte das ja dein nächstes Thema sein. Oder vielleicht könntest du zu dem „Tussibild“ der Frauen, das sich immer mehr zu verbreiten scheint (siehe MTV), Stellung nehmen.
Auch wenn es nicht deine Spezialgebiete sein sollten, wir können von dir trotzdem lernen 🙂
Danke für den ausgezeichneten Artikel